Nachfolgend haben wir in dieser Ausgabe wieder Neuerungen aus dem Steuer- und Wirtschaftsrecht für Sie zusammengestellt. Diese Mandanten-Information beruht auf dem Stand 01.07.2025
Themen dieser Ausgabe
- Finanzverwaltung äußert sich zur neuen Rechtslage für Kleinunternehmer
- Freiberufliche Tätigkeit einer Ärtze-Partnerschaft
- Kein Werbungskostenabzug für Umzug zur Begründung eines häuslichen Arbeitszimmers
- Bekanntgabe eines Steuerbescheids bei nicht täglicher Postzustellung
- Verwendung unterschiedlicher Sterbetafeln für Männer und Frauen
Finanzverwaltung äußert sich zur neuen Rechtslage für Kleinunternehmer
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat in einem aktuellen Schreiben zur geänderten Rechtslage bei der Umsatzsteuer für Kleinunternehmer ab 1.1.2025 Stellung genommen. Das Schreiben gilt für Umsätze, die nach dem 31.12.2024 er-bracht werden.
Hintergrund: Kleinunternehmer, die bestimmte Umsatzgrenzen nicht überschreiten, brauchen keine Umsatzsteuer abzuführen. Sie sind dann auch nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Der Gesetzgeber hat ab dem Jahr 2025 neue Um-satzgrenzen eingeführt und behandelt die Umsätze eines Kleinunternehmers nunmehr als umsatzsteuerfrei. Ab 2025 darf der Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr nicht höher als 25.000 € gewesen sein und im laufenden Kalenderjahr 100.000 € nicht überschreiten. Ein Unternehmer, der die Umsatzgrenzen nicht überschreitet, kann auf die Kleinunternehmerregelung verzichten; er muss dann Umsatzsteuer in Rechnung stellen und an das Finanzamt abführen und ist im Gegenzug vorsteuerabzugsberechtigt. An den Verzicht ist der Unternehmer fünf Kalenderjahre gebunden.
Wesentlicher Inhalt des BMF-Schreibens:
- Sollte ein Kleinunternehmer künftig Umsatzsteuer in einer Rechnung ausweisen, obwohl er umsatzsteuerfreie Umsätze erbringt, muss er die Umsatzsteuer aufgrund eines unrichtigen Steuerausweises an das Finanzamt abführen.
Hinweis: Dies gilt nicht, wenn der Kleinunternehmer die Leistung tatsächlich ausgeführt und die Rechnung an einen Endverbraucher ausgestellt hat, der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist; denn dann droht keine Gefährdung des Umsatzsteueraufkommens.
- Ein Kleinunternehmer kann eine vereinfachte Rechnung ausstellen, in der u. a. Name und Anschrift des Kleinunternehmers sowie seines Vertragspartners, die Steuernummer bzw. Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder Kleinunternehmer-Identifikationsnummer des Kleinunter-nehmers, das Rechnungsdatum, die Menge und die Art der gelieferten Gegenstände bzw. der Umfang und die Art der sonstigen Leistung sowie das Entgelt enthalten sind.
Hinweis: Diese vereinfachte Rechnung muss einen Hin-weis darauf enthalten, dass die Steuerbefreiung für Klein-unternehmer gilt. Der Hinweis „steuerfreier Kleinunter-nehmer“ genügt.
- Die Rechnung eines Kleinunternehmers muss nicht elektronisch ausgestellt, sondern kann in Papierform erstellt werden. Mit Zustimmung des Leistungsempfängers ist die Ausstellung einer elektronischen Rechnung aber möglich.
- Die Stellung als Kleinunternehmer endet, sobald im laufenden Kalenderjahr die Umsatzgrenze von 100.000 € überschritten wird. Bereits der erste Umsatz, mit dem die-se Grenze überschritten wird, ist nicht mehr umsatzsteuer-frei, sondern umsatzsteuerpflichtig.
Beispiel: U hat im Vorjahr die Umsatzgrenze von 25.000 € nicht überschritten. Im laufenden Kalenderjahr beträgt sein Gesamtumsatz bislang 70.000 €. Ein neuer Kunde kommt nun zu U und kauft einen Gegenstand für 50.000 €. Dieser Umsatz ist nicht mehr umsatzsteuerfrei, sondern unterliegt vollständig der Umsatzsteuer. Bezüglich der Überschreitung kommt es auf den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts an.
Hinweis: Für Kleinunternehmer ist es daher wichtig, die aktuelle Umsatzhöhe im Blick zu behalten, weil der Wechsel zur regulären Umsatzbesteuerung theoretisch mit dem nächsten Umsatz eintreten kann, wenn hierdurch die Um-satzgrenze von 100.000 € überschritten wird.
- Nimmt der Unternehmer seine Tätigkeit im Laufe eines Kalenderjahres neu auf, kommt es für die Beurteilung, ob er Kleinunternehmer ist, allein auf den tatsächlichen inländischen Gesamtumsatz des laufenden Kalenderjahres an. Dabei gilt eine Umsatzgrenze von 25.000 €, nicht jedoch in Höhe von 100.000 €.
- Der Unternehmer kann auf die Kleinunternehmerregelung verzichten und wird dann wie ein regulärer Unternehmer behandelt, sodass er Umsatzsteuer in Rechnung stellen und an das Finanzamt abführen muss, dafür aber vor-steuerabzugsberechtigt ist. Der Verzicht bindet den Unter-nehmer mindestens für fünf Kalenderjahre. Anschließend kann der Unternehmer den Verzicht mit Wirkung von Beginn eines darauffolgenden Kalenderjahres an widerrufen.
Hinweis: Der Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung muss nach der Neuregelung bis zum letzten Tag des Monats Februar des übernächsten Jahres erklärt werden, für 2025 also bis zum 28.2.2027.
- Hat ein Unternehmer bereits vor dem 1.1.2025 auf die Kleinunternehmerregelung verzichtet, ist er insgesamt fünf Kalenderjahre an diesen Verzicht gebunden, und zwar über den 1.1.2025 hinaus.
Hinweis: Für den Besteuerungszeitraum 2024 muss der Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung nach der bisherigen Regelung bis zum 31.12.2026 erklärt werden.
Hinweis: Neu ist ferner, dass ein Unternehmer ab 2025 auch in einem anderen EU-Mitgliedstaat als Kleinunternehmer auftreten darf. Der Jahresumsatz in der EU darf dann im vorangegangenen Jahr sowie im laufenden Jahr 100.000 € nicht überschreiten; außerdem muss der Unternehmer über eine gültige Kleinunternehmer-Identifikationsnummer verfügen. Der Unternehmer darf zudem in dem anderen EU-Staat die dortigen Umsatzgrenzen für Kleinunternehmer nicht über-schreiten. Damit die Einhaltung der Umsatzgrenze überwacht werden kann, muss der Unternehmer an einem besonderen Meldeverfahren für Kleinunternehmer beim Bundeszentral-amt für Steuern teilnehmen und vierteljährlich eine sog. Umsatzmeldung abgeben. Das aktuelle Schreiben des BMF enthält hierzu ebenfalls zahlreiche Ausführungen.
Schenkung von Gesellschaftsanteilen zwecks Unternehmensnachfolge
Eine zahnärztlich tätige Partnerschaft, an der sieben Zahn-ärzte beteiligt sind, erzielt freiberufliche Einkünfte, auch wenn sich einer der Zahnärzte ganz überwiegend um die kaufmännische Führung der Partnerschaft kümmert und nur äußerst geringfügig zahnärztlich tätig wird.
Hintergrund: Freiberufliche Einkünfte unterliegen nicht der Gewerbesteuer. Zu den Freiberuflern gehören insbesondere Ärzte, Rechtsanwälte, Ingenieure und Architekten.
Sachverhalt: M war Zahnarzt und Partner einer zahnärztlich tätigen Partnerschaftsgesellschaft, die aus insgesamt sieben Zahnärzten bestand. M nahm vor allem die kaufmännischen Angelegenheiten der Partnerschaft wahr und kümmerte sich um die Instandhaltung der medizinischen Geräte. Im Streit-jahr 2010 beriet M lediglich fünf Patienten; am Behandlungs-stuhl wurde er nicht tätig. Das Finanzamt stellte den Gewinn der Partnerschaft als gewerblich fest und begründete dies damit, dass M nicht freiberuflich tätig geworden sei.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage der Partnerschaft statt:
- Eine Personengesellschaft ist freiberuflich tätig, wenn sämtliche Gesellschafter Freiberufler sind, also die persönliche Berufsqualifikation eines freien Berufs erfüllen, und eine freiberufliche Tätigkeit tatsächlich ausüben.
- Dies setzt nicht voraus, dass jeder Gesellschafter der Partnerschaft in allen Unternehmensbereichen leitend und eigenverantwortlich tätig ist und an jedem Auftrag mitarbeitet. Vielmehr genügt es, wenn ein Gesellschafter in Form der Mit- und Zusammenarbeit mit seinen Kollegen freiberuflich tätig wird. Bei einem größeren Zusammen-schluss von Ärzten gehört auch die kaufmännische Führung und Organisation der Personengesellschaft zur frei-beruflichen Tätigkeit. Daher kann auch ein überwiegend kaufmännisch tätiger Zahnarzt freiberuflich tätig sein.
- Weitere Voraussetzung ist aber, dass jeder Gesellschafter zumindest geringfügig zahnärztlich tätig wird. Diese Voraussetzung erfüllte M, weil er fünf Patienten im Streit-jahr beriet.
Hinweise: Da auch die sechs Kollegen des M freiberuflich tätig waren, waren an der Partnerschaft nur Freiberufler beteiligt und auch freiberuflich tätig. Damit erzielt die Partnerschaft selbständige Einkünfte, nicht aber Einkünfte aus Ge-werbebetrieb, sodass ein Gewerbesteuermessbescheid gegenüber der Partnerschaft nicht ergehen durfte.
In der Praxis sollte darauf geachtet werden, dass jeder Gesellschafter auch freiberuflich aktiv wird, also z. B. zumindest einige Patienten behandelt, um den Anforderungen einer „zumindest äußerst geringfügigen“ freiberuflichen Tätigkeit zu genügen. M hatte sich auf eine Beratung beschränkt und keinen einzigen Patienten zahnärztlich behandelt. Dies hat dem BFH zwar genügt; es ist aber nicht auszuschließen, dass Finanzgerichte den Begriff der „äußerst geringfügigen“ freiberuflichen Tätigkeit strenger auslegen und eine ärztliche Be-handlung verlangen. In jedem Fall sollte die „äußerst gering-fügige“ freiberufliche Tätigkeit dokumentiert werden.
Freiberufliche Tätigkeit einer Ärztepartnerschaft
Nutzt ein angestellter Außendienstmitarbeiter für seine Außendienstfahrten einen geleasten Pkw, für den er eine Leasing-Sonderzahlung geleistet hat, ist die Leasing-Sonderzahlung für die Berechnung der Kilometerkosten auf die Dauer des Leasingvertrags zu verteilen. Gleiches gilt für andere Zahlungen des Arbeitnehmers, die sich auf den Leasingzeitraum erstrecken, z. B. Kosten für einen Satz Reifen.
Hintergrund: Fahrkosten des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen seiner Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte sind grundsätzlich nur mit der Entfernungspauschale von 0,30 € pro Entfernungskilometer (ab dem 21. Entfernungskilometer: 0,38 €) anzusetzen. Für sonstige berufliche Fahrten kann der Arbeitnehmer jedoch die tatsächlichen Kfz-Kosten absetzen, alternativ eine Pauschale nach dem Bundesreisekosten-gesetz von 0,30 € pro gefahrenen Kilometer.
Sachverhalt: Der Kläger war angestellter Außendienstmitarbeiter und nutzte für seine sonstigen beruflichen Fahrten zu den Kunden seines Arbeitgebers einen BMW, den er im Dezember 2018 für drei Jahre leaste. Noch im Dezember 2018 leistete er eine Leasing-Sonderzahlung in Höhe von 15.000 €; außerdem erwarb er noch einen weiteren Reifensatz. Bei der Ermittlung der tatsächlichen Kfz-Kosten für 2018 setzte er die Leasing-Sonderzahlung sowie die Kosten für die Reifen je-weils im vollen Umfang bei den Kfz-Kosten an und ermittelte auf diese Weise einen Kilometersatz von 0,93 €. Die im Dezember 2018 getätigten sonstigen beruflichen Fahrten bewertete er mit diesem Betrag, den das Finanzamt akzeptierte. Im Streitjahr 2019 wandte er ebenfalls den Kostenbetrag von 0,93 € pro gefahrenen Kilometer an. Das Finanzamt gewährte nun aber lediglich den Pauschalsatz von 0,30 € pro gefahrenen Kilometer.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt den vom Kläger ermittelten Kostenbetrag von 0,93 € gleichfalls für falsch, verwies die Sache jedoch zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:
- Leistet ein Arbeitnehmer eine Leasing-Sonderzahlung für einen Pkw, den er für sonstige berufliche Fahrten nutzt, ist die Leasing-Sonderzahlung für Zwecke der Ermittlung der Kfz-Kosten für sonstige berufliche Fahrten auf den Lea-singzeitraum zu verteilen. Bei einer dreijährigen Leasingdauer geht also ein Betrag von 5.000 € (1/3 von 15.000 €) in die Kfz-Kosten für 2019 ein.
- Diese Verteilung von Kosten auf die Dauer des Leasing-zeitraums ergibt sich aus einer sog. wertenden Zuordnung, die der BFH im Bereich der Einnahmen-Überschussrechnung vor Kurzem entwickelt hat und die nach dem aktuellen Urteil auch für Arbeitnehmer gilt.
- Gleiches gilt für diejenigen Kosten für eine Sonderausstattung (wie einen weiteren Reifensatz), die sich ebenfalls auf den Leasing-Zeitraum erstrecken. Auch hier ist eine Verteilung der Kosten auf den Leasing-Zeitraum vorzu-nehmen.
- Der für 2018 ermittelte Kostenbetrag pro Kilometer in Höhe von 0,93 € kann somit für 2019 nicht übernommen werden, weil im Jahr 2018 die Leasing-Sonderzahlung sowie die Kosten für die Sonderausstattung (Reifensatz) vollständig in die Kosten eingeflossen ist, anstatt nur mit 1/36 (für Dezember 2018) berücksichtigt zu werden.
- Das Finanzgericht muss nun eine Berechnung für 2019 durchführen und darf dabei die Kosten für die Leasing-Sonderzahlung sowie für die Sonderausstattung nur anteilig berücksichtigen, um so den zutreffenden Kostenbetrag für 2019 zu ermitteln.
Hinweise: An sich gilt das sog. Abflussprinzip für Arbeitnehmer und solche Unternehmer, die ihren Gewinn durch Ein-nahmen-Überschussrechnung ermitteln. Danach müsste die Leasing-Sonderzahlung sowie die Zahlung für die Sonderausstattung im Jahr 2018 angesetzt werden, weil der Kläger die Zahlungen im Dezember 2018 geleistet hat. Von diesem Grundsatz weicht der BFH seit Kurzem ab; vermutlich will er Gestaltungen verhindern, bei denen durch eine Leasing-Sonderzahlung ein hoher steuerlicher Abzug erreicht werden soll.
Mit dem aktuellen Urteil ändert der BFH seine Rechtsprechung auch in Bezug auf Arbeitnehmer. Nach bishe-riger Rechtsprechung wäre die im Dezember 2018 geleistete Leasing-Sonderzahlung in die Kfz-Kosten des Jahres 2018 eingegangen.
Kein Werbungskostenabzug für Umzugskosten zur Begründung eines häuslichen Arbeitszimmers
Die Kosten eines Arbeitnehmers für den Umzug in eine größere Wohnung, um dort erstmals ein häusliches Arbeitszimmer begründen zu können, sind nicht als Werbungskosten absetzbar. Denn ein Umzug in eine größere Wohnung ist stets auch privat veranlasst.
Hintergrund: Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen sind als Werbungskosten abzieh-bar.
Sachverhalt: Die Kläger waren Eheleute und als Arbeitnehmer in Hamburg beschäftigt. Sie lebten mit ihrer fünf Jahre alten Tochter in einer 65 qm großen Drei-Zimmer-Wohnung, in der es kein häusliches Arbeitszimmer gab. Zum 30.6.2020 wechselte der Kläger den Arbeitgeber. Um auch von zu Hause aus arbeiten zu können, zogen die Kläger zum Juli 2020 in eine ca. 110 qm große Fünf-Zimmer-Wohnung um, in der sie zwei häusliche Arbeitszimmer einrichteten. Die Kläger machten die Umzugskosten in Höhe von ca. 4.200 € als Werbungskosten geltend, die das Finanzamt nicht anerkannte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
- Grundsätzlich sind Umzugskosten privat veranlasst und daher nicht als Werbungskosten abziehbar.
- Ausnahmsweise können Umzugskosten jedoch als Werbungskosten abgezogen werden, wenn der entscheidende Grund für den Umzug die berufliche Tätigkeit des Arbeit-nehmers ist und wenn private Umstände eine allenfalls untergeordnete Rolle spielen. Dies ist etwa der Fall, wenn sich aufgrund des Umzugs die tägliche Fahrzeit zur Arbeit um mindestens eine Stunde verkürzt. Auch der Ein- bzw. Auszug aus einer Dienstwohnung können hierzu gehören.
- Die berufliche Veranlassung muss sich auf objektiv feststellbare Umstände stützen lassen. Dies erfordert das Gebot der Rechtssicherheit. Allein die Absicht, erstmals über ein häusliches Arbeitszimmer verfügen zu können, genügt nicht, weil die Wahl einer Wohnung auch vom Ge-schmack, von den Lebensgewohnheiten, den finanziellen Mitteln und der familiären Situation abhängig ist. So konnten die Kläger jetzt z. B. ihr neues Wohnzimmer ausschließlich für private Zwecke nutzen und mussten es nicht mit einer oder gar zwei Arbeitsecken ausstatten. Daher sind die entstandenen Umzugskosten der privaten Lebensführung zuzuordnen und nicht als Werbungskosten abziehbar.
Hinweise: Abziehbar waren im Streitfall jedoch die Kosten für die häuslichen Arbeitszimmer.
Die Entscheidung des BFH ist nicht unproblematisch, weil sich die Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer seit der Corona-Krise geändert haben. Teilweise wird von Arbeitnehmern erwartet, dass sie im häuslichen Arbeitszimmer arbeiten. Dies galt insbesondere im Streitjahr 2020, als die Corona-Krise begann. Der BFH sieht in seiner aktuellen Entscheidung diese Problematik, verneint aber dennoch eine maßgebliche berufliche Veranlassung des Umzugs.
Bekanntgabe eines Steuerbescheids bei nicht täglicher Postzustellung
Die gesetzliche Zugangsvermutung, nach der ein Steuerbescheid drei Tage nach Aufgabe zur Post (ab 2025: vier Tage nach Aufgabe zur Post) als bekanntgegeben gilt, greift auch dann, wenn die Post an zwei Tagen der Dreitagesfrist nicht zustellt, weil sie an einem der beiden Tage (Samstag) grundsätzlich keine Zustellungen vornimmt und der nachfolgende Tag ein zustellfreier Sonntag ist.
Hintergrund: Nach dem Gesetz gilt ein Verwaltungsakt bis einschließlich 2024 nach drei Tagen nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben, so dass am Tag danach die Einspruchsfrist beginnt. Ab 2025 wurde die gesetzliche Dreitagesfrist durch eine Viertagesfrist ersetzt.
Sachverhalt: Die Klägerin erstellte ihre Einkommensteuererklärung für 2017 selbst, d. h. ohne Hilfe eines Steuerberaters. Am Freitag, dem 15.6.2018, erließ das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid für 2017 und übergab ihn einem Postdienstleistungsunternehmen, das jedoch die Post im Wohnviertel der Klägerin nur zwischen Montag und Freitag austrägt, nicht aber am Samstag und nicht am generell zustellungsfreien Sonntag. Die Klägerin war bis einschließlich Montag, dem 18.6.2018, beruflich auswärts tätig und kehrte erst am 19.6.2018 in ihre Wohnung zurück, wo sie nach eigenen Angaben den Einkommensteuerbescheid für 2017 im Briefkasten vorfand. Sie übersandte den Bescheid noch am selben Tag per Telefax an ihren Steuerberater, dem sie keine Empfangsvollmacht erteilt hatte. Dieser legte am 19.7.2018 Einspruch ein. Das Finanzamt ging von einer Ver-säumnis der Einspruchsfrist aus und verwarf den Einspruch als unzulässig.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
- Der Einspruch war verfristet, weil bei Einlegung des Einspruchs am 19.7.2018 die einmonatige Einspruchsfrist ab-gelaufen war.
- Der Steuerbescheid galt nach der im Jahr 2018 anwendbaren Dreitagesfrist nach drei Tagen nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Die Aufgabe zur Post war am Freitag, dem 15.6.2018, durch Übergabe an das Postdienstleistungsunternehmen erfolgt. Damit fand die Bekanntgabe am Montag, dem 18.6.2018 statt, so dass die Einspruchsfrist am 19.6.2018 (Dienstag) begann und am 18.7.2018 endete; der Einspruch wurde aber erst am 19.7.2018 eingelegt.
- Die Dreitagesfrist war im Streitfall anwendbar, auch wenn eine Postzustellung weder am Samstag, dem 16.6.2018, noch am Sonntag, dem 17.6.2018, möglich war, da das Postdienstleistungsunternehmen samstags nicht zustellte und sonntags ohnehin keine Post ausgetragen wurde. Gleichwohl war eine Postauslieferung am Montag, dem 18.6.2018 und dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post zwar etwas weniger wahrscheinlich, aber dennoch möglich.
Hinweise: Aufgrund der zahlreichen Probleme bei der Post-zustellung hat der Gesetzgeber die Dreitagesfrist durch eine Viertagesfrist ersetzt. Die neue Frist gilt für alle Verwaltungsakte (Bescheide), die nach dem 31.12.2024 zur Post aufgegeben werden.
Die Klägerin hatte vorgetragen, dass sie ihre Mutter sowie eine Freundin mit der Leerung des Briefkastens beauftragt habe. Hieraus konnte jedoch nicht geschlossen worden, dass der Bescheid erst am 19.6.2018 in den Briefkasten der Klägerin eingeworfen wurde. Hierzu hätte die Klägerin vortragen müssen, dass die Mutter und die Freundin den Briefkasten nach der Zustellrunde am 18.6.2018 geleert hätten und sich der Einkommensteuerbescheid für 2017 nicht im Briefkasten befunden habe. Tatsächlich hatte die Klägerin einen Zugang des Bescheids am 18.6.2018 nicht substantiiert bestritten.
Verwendung unterschiedlicher Sterbetafeln für Männer und Frauen
Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass bei der Bewertung lebenslanger Nutzungen und Leistungen im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterschiedliche Sterbetafeln für Männer und Frauen verwendet werden. Dies dient einer realitätsgerechten Bewertung, da Frauen im Durchschnitt länger leben als Männer.
Hintergrund: Für die Bewertung lebenslanger Nutzungen und Leistungen, wie z. B. von Nießbrauchsrechten, die dem Nießbrauchsberechtigten bis zu dessen Tod zustehen sollen, muss ein Kapitalwert ermittelt werden. Hierfür wird ein Jahreswert der Nutzung ermittelt und mit einem sog. Vervielfältiger multipliziert. Dieser Vervielfältiger wird anhand der Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes ermittelt. Die Sterbe-tafel unterscheidet zwischen Männern und Frauen.
Sachverhalt: Ein 74 Jahre alter Vater übertrug seinen drei Kindern, einem Sohn, dem Kläger, und zwei Töchtern, im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge GmbH-Anteile, behielt sich aber einen lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch vor. Das für die GmbH zuständige Finanzamt bewertete die Anteile mit einem Wert von ca. 780.000 €. Das für die Besteuerung des Sohns (Klägers) zuständige Finanzamt zog hiervon den Wert des Nießbrauchs in Höhe von ca. 350.000 € ab, so dass sich für den Sohn ein Wert der Schenkung in Höhe von ca. 430.000 € ergab. Bei der Bewertung des Nießbrauchs wandte das Finanzamt die für den Bewertungsstichtag maßgebliche Sterbetafel für Männer an und gelangte zu einem Vervielfältiger von 8,431 (basierend auf der verbleibenden Lebenserwartung für 74 Jahre alte Männer von damals 11,21 Jahren). Der Kläger machte geltend, dass sich nach der Sterbetafel für Frauen ein höherer Vervielfältiger und damit auch ein höherer Abzug ergeben würde, der Wert der Schenkung also geringer ausfalle.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage des Sohnes ab:
- Die unentgeltliche Übertragung der GmbH-Anteile vom Vater auf den Sohn war schenkungsteuerbar.
- Der Wert der übertragenen GmbH-Anteile wurde von dem für die GmbH zuständigen Finanzamt mit 780.000 € fest-gestellt. Dieser Wert wurde durch den Nießbrauch des Vaters gemindert.
- Bei der Bewertung des Nießbrauchs waren die Sterbetafeln für Männer anzuwenden, da der Vater ein Mann war. Zwar führen die Sterbetafeln zu einer geschlechterbedingten Ungleichbehandlung. Diese Ungleichbehandlung ist aber verfassungsrechtlich gefertigt; denn die unter-schiedlichen Sterbetafeln für Männer und Frauen ermöglichen eine gleichheitsgerechte Belastung der Steuerpflichtigen, weil so die Werte der geschenkten Vermögensgegenstände zutreffend und realitätsgerecht abgebildet wer-den können. Denn Männer leben nicht so lange wie Frau-en, so dass sie die ihnen eingeräumte Nutzung und Leistung nicht so lange nutzen können wie eine Frau.
Hinweise: Frauen leben etwa fünf Jahre länger als Männer. Daher ist es gerecht, einen Nießbrauch, der einer Frau lebenslang eingeräumt wird, höher zu bewerten als einen Nießbrauch, der einem Mann lebenslang eingeräumt wird. Denn ein 74 Jahre alter Mann wird den Nießbrauch statistisch gesehen fünf Jahre weniger nutzen.
Die Verwendung unterschiedlicher Sterbetafeln für Männer und Frauen kann sich für den Steuerpflichtigen in einem Fall günstiger und in einem anderen Fall ungünstiger auswirken. Wird ein Nießbrauch einer Frau lebenslang zugewendet, muss diese einen höheren Kapitalwert versteuern als ein Mann, der einen Nießbrauch bis zum Lebensende erhält. Im Streitfall wirkte es sich aber zum Nachteil des Klägers aus, dass der Schenker ein Mann war und sich einen lebenslangen Nießbrauch vorbehielt. Dafür wird der Kläger die GmbH-Anteile statistisch betrachtet fünf Jahre früher unbelastet nutzen können.
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